Keine Sorge, ich interviewe mich nicht selbst: Ich bin nicht der einzige Thomas, der mit Anki und den Basiskarten ein tolles Ergebnis im Examen erzielt hat. Ein wirklich lesenswertes Interview, in dem Thomas einige Tipps verrät, die ich auch noch nicht kannte. Unbedingte Leseempfehlung! Thomas, dir an dieser Stelle noch einmal herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung und danke fürs Mitmachen!
Hallo, Thomas! Wie ist es gelaufen?
Es lief erstaunlich gut! Im Staatsteil habe ich 11,23 Punkte erreicht. Zusammen mit dem Schwerpunkt komme ich auf
11,76 und damit auf ein "Gut" in der Gesamtnote.
In welchem Semester bist du ins Examen gegangen? Wie lang war deine Examensvorbereitung insgesamt? Hast du abgeschichtet?
Ich habe nach dem 9. Semester mein Examen geschrieben. Für die
Examensvorbereitung habe ich mir 3 Semester Zeit genommen, wobei ich zu Beginn parallel noch mein Prüfungsseminar im Schwerpunkt belegen musste und mich daher erst etwas später zu 100% auf das
Examen konzentrieren konnte.
Durch die Corona-Pandemie wurden die letzten beiden Semester nicht auf den Freischuss angerechnet, sodass ich auch erst nach dem 10. Semester hätte schreiben können. Da ich meine gesamte Planung allerdings schon auf das 9. Semester ausgerichtet hatte und mich auch schon bereit gefühlt habe, habe ich auf diese Möglichkeit verzichtet.
Wie fandest du die Klausuren? Wie war dein Gefühl danach?
Alles in allem waren die Klausuren fair gestellt und durchaus machbar. Je länger man im Nachhinein darüber nachdenkt, desto unsicherer wird man allerdings, sodass ich bewusst darauf verzichtet habe, mich mit anderen Kommilitonen über die Lösung auszutauschen oder selbst allzu viel über die Lösung nachzudenken.
Erschwerend kam hinzu, dass das Prüfungsamt 3 Wochen nach dem Examenstermin für alle Prüflinge eine Nachklausur im Strafrecht angeordnet hat, was nochmal sehr viel Unruhe in die Sache gebracht hat.
Wie hast du dich vorbereitet? Hast du ein Rep besucht? Mit welchen Mitteln hast du gelernt?
Ich habe mich gegen ein kommerzielles Rep entschieden und knapp ein Jahr lang das
Examinatorium an meiner Universität besucht. Gelernt habe ich neben den Unterlagen des Examinatoriums mit ganz verschiedenen Mitteln.
Zuerst wären da natürlich die Basiskarten, die ich zu Beginn meiner Examensvorbereitung in meine tägliche Routine eingebunden habe.
Die meiste Zeit der Vorbereitung habe ich mit Übungsfällen verbracht, die ich mir aus juristischen Ausbildungszeitschriften herausgesucht habe. Insbesondere über den JuS-Klausurfinder kann man dabei leicht Klausuren zu jedem Rechtsgebiet und in jedem Schwierigkeitsgrad entdecken.
Daneben habe ich die frei verfügbaren Jura-Podcasts der LMU gehört, die sich vor allem auf längeren Bus- und Zugfahrten als nützlich erwiesen haben.
Zusammen mit einem Kommilitonen habe ich auch regelmäßig eine private Arbeitsgemeinschaft abgehalten.
Was unterscheidet die Basiskarten deiner Meinung nach von anderen Lernmitteln?
Die Basiskarten sind so sehr auf das Wesentliche reduziert, dass ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, den gesamten Stoff wirklich zu überblicken. Es mag paradox klingen, aber gerade durch das Weglassen von Stoff haben sich mir die Zusammenhänge zwischen den Rechtsgebieten erst so richtig erschlossen, da ich zuvor den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen hatte. Durch die Basiskarten habe ich mir ein tragfähiges Grundgerüst aufgebaut, an das ich zusätzliches Detailwissen sinnvoll anknüpfen konnte.
Ein Vorteil im Vergleich zu analogen Karteikarten ist, dass Anki nur diejenigen Punkte abfragt, die ich ansonsten vergessen würde. Dadurch blieben mir sinnlose Wiederholungen erspart und ich konnte meine knappe Zeit effektiv nutzen.
Auf meinem Handy hatte ich die Basiskarten auch immer griffbereit und konnte selbst kleinere Leerlaufzeiten sinnvoll nutzen, etwa im Bus, im
Wartezimmer oder zwischen zwei Vorlesungen.
Wie bist du mit neuen Stapeln umgegangen? Wie viele Karten hast du pro Tag neu gelernt?
Pro Tag habe ich 30 neue Karten gelernt. Ich habe dabei keinen Unterschied
zwischen alten und neuen Stapeln gemacht.
Hast du irgendwelche besonderen Tipps zum Lernen der Basiskarten oder dem Umgang mit Anki?
Ich würde empfehlen, die Jura-Vorlagen auch zu nutzen, um selbst Karten zu erstellen. Ich habe mir so Karten zu Rechtsgebieten erstellt, zu denen es noch keine Basiskarten
gibt. Zudem habe ich immer eine neue Karte geschrieben, wenn mir in einer Klausur ein Fehler unterlaufen ist, um diesen beim nächsten Mal zu vermeiden.
Wie sah ein typischer Tag in der Examensvorbereitung für dich aus? Wie viele Tage hast du pro Woche
gearbeitet?
Durch Corona war ich das letzte Jahr vor der Prüfung fast nur noch im Home-Office; das Examinatorium fand online statt. Schnell
habe ich gemerkt, dass ich mich während der Vorlesung vor einem Bildschirm schlecht konzentrieren kann und meine Zeit dann lieber investiert, um den Stoff anhand meiner Unterlagen selbst zu
wiederholen. Im letzten halben Jahr habe ich fast nur noch Lösungsskizzen zu Fällen aus den Ausbildungszeitschriften erstellt, mit der Musterlösung abgeglichen und meine Fehler analysiert.
Ich habe zwischen 5 und 6 Tagen pro Woche gearbeitet. Der Sonntag war (bis auf die Basiskarten) immer für Freizeit reserviert.
Pro Arbeitstag habe ich mit der Pomodoro-Technik zwischen 6 und 8 Stunden konzentriert für das Examen gelernt, indem ich mir feste Zeitslots für die Arbeit und für Pausen gesetzt habe. Eine Lerneinheit dauerte bei mir 50 Minuten. Nach 10 Minuten Pause ging die nächste Einheit los, danach kam eine längere Pause von mindestens 30 Minuten. Den Abend habe ich oft mit Tätigkeiten verbracht, die weniger Fokus erfordern, z. B. das Übertragen meiner Notizen des jeweiligen Tages in Anki oder das Einsortieren von Ergänzungslieferungen.
Einmal pro Woche habe ich die Klausur aus dem Klausurenkurs meiner Universität mitgeschrieben.
Wie viele Übungsklausuren hast du geschrieben?
Insgesamt werden es zwischen 40 und 50 Übungsklausuren gewesen sein.
Gibt es sonst noch Tipps, von denen du besonders profitiert hast und die du weitergeben möchtest?
Das Studium und insbesondere die Benotung ist oft hart und fordert eine hohe Frustrationstoleranz. Gerade wenn man vermehrt Fehler in seinen Klausuren oder seinen Lösungsskizzen fabriziert, kann das sehr demotivierend sein (ich spreche aus eigener Erfahrung).
Irgendwann habe ich aufgehört, mich darüber zu ärgern und mir stattdessen jeden Fehler und jede Ungenauigkeit rot angestrichen und in Anki übertragen (natürlich nicht den Fehler selbst, sondern das, was ich richtigerweise hätte schreiben müssen). Mit der Zeit habe ich mich dann sogar über jeden Fehler in meinen Lösungsskizzen gefreut, weil das bedeutete, dass ich wieder etwas lernen würde und damit eine mögliche Fehlerquelle für meine Examensklausuren eliminieren kann.
Manche Fehler kann man auch nur machen, wenn man schon einiges weiß. Beispielsweise habe ich einmal das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme aus Art. 20 III GG, also dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet, obwohl es dafür eine speziellere Norm im einfachen Recht gab, die dann natürlich Anwendungsvorrang hat. Aber um diesen Fehler überhaupt begehen zu können, muss man immerhin bereits wissen, dass es das Rechtsstaatsprinzip gibt, wo dieses geregelt ist und dass die Verhältnismäßigkeit ein Ausdruck dieses Prinzips ist – und schon so viel zu wissen ist doch eigentlich ganz gut, oder?
Ein ordentliches "Fehlermanagement" zu betreiben ist aus meiner Sicht essentiell, um nicht irgendwann völlig frustriert aufzugeben. Wir alle kochen nur mit Wasser. Jeder macht Fehler! Viele Fehler! Ich denke sogar, dass die besten Juristen die meisten Fehler machen – und auch am meisten daraus lernen.
Was war für dich das Schwierigste an der Examensvorbereitung?
Das wohl Schwierigste für mich war, über eineinhalb Jahre den Fokus und die Spannung hoch zu halten und möglichst diszipliniert die Examensvorbereitung durchzuziehen. Gerade in der Coronazeit, als man praktisch den ganzen Tag nur zu Hause bleiben konnte, verliert man leicht eine geregelte Tagesstruktur, die die Uni oder das Rep noch hätten vermitteln können.
Da ich praktisch ganz auf mich allein gestellt war, habe ich jeden Tag in feste Arbeits- und Pausenzeiten eingeteilt. Um gegenüber jemandem Rechenschaft ablegen zu müssen, habe ich mit Focusmate gearbeitet – einem Programm, dass für 50 Minuten 2 Personen irgendwo auf der Welt per Videochat verbindet, die dann berichten, was sie in den nächsten 50 Minuten erreichen wollen und am Ende sagen, wie viel sie geschafft haben. Für viele mag das jetzt vielleicht albern klingen, aber die knapp 800 Sessions, die auf diese Weise bis zum Examen zusammenkamen, waren die produktivste und fokussierteste Zeit meines gesamten Studiums.
Worauf kam es aus deiner Sicht letztlich besonders an im Examen?
Für eine gute Note im Examen kommt es nicht darauf an, möglichst viele Sachverhaltskonstellationen oder Urteile auswendig zu lernen, sondern darauf, ob man das Recht verstanden hat sowie auslegen und sinnvoll anwenden kann. Gerade weil im Examen nicht unbedingt die typischen Konstellationen, sondern auch mal etwas eher Exotisches drankommt, würde ich mehr Wert darauf legen, den Gesetzestext genau zu lesen, ordentlich auszulegen und dann zu einer vertretbaren Lösung zu kommen.
Man sollte sich auch nicht von irgendwelchen Horrorgeschichten verrückt machen lassen, sondern die Ruhe bewahren und auf sich selbst und seine Fähigkeiten vertrauen.
Wenn du in der Zeit zurück zu deinem ersten Semester reisen könntest, welche Tipps würdest du deinem früheren Ich mitgeben?
Zu Beginn meines Studiums hatte ich starke Vorbehalte gegenüber technischen Hilfsmitteln zum Lernen und habe lieber von Hand Übersichten und Karteikarten erstellt, die ich mir dann nie wieder angesehen habe.
Erst in der Examensvorbereitung habe ich mich dann mit digitalen Tools wie Anki beschäftigt. Meinem früheren Ich würde ich den Rat geben, sich frühzeitig mit Lerntechniken, Produktivitätsmethoden und Zeitmanagement zu beschäftigen und ein System zu finden, das für mich persönlich funktioniert. Einen Tag über das Lernen nachzudenken bringt manchmal mehr, als einen Tag zu lernen.
Was steht als nächstes an und wird Anki dabei auch eine Rolle spielen?
Ich werde bald mein Referendariat in Angriff nehmen. Die Basiskarten werde ich weiterhin wiederholen, um im materiellen Recht fit zu bleiben. Für das zweite Examen werde ich auch noch eigene Karten erstellen.
Thomas, vielen Dank für das Interview!
👉 Tipp: Hier geht's weiter zu meinem letzten Interview mit Alina. Für allgemeines Feedback zu den Basiskarten klick hier.
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M.S. (Dienstag, 07 September 2021 09:55)
Danke für den Tipp mit FocusMate! Ich habe es jetzt vier Mal ausprobiert und mir gefällt es.
Glückwunsch zum super Examen!
HL (Dienstag, 07 September 2021 12:59)
Ich liebe Focusmate. Kann es auch nur weiterempfehlen. Hab auch ein paar mal mit Thomas gelernt :D
P.L. (Sonntag, 08 Mai 2022 02:24)
Hervorragendes und sehr hilfreiches Interview. Merci.