Heute lest ihr im Basiskarten-Blog ein Interview, über das ich mich ganz besonders freue. Tom ist nicht nur einer meiner ersten (Nr. 4!) und treuesten Kunden, sondern hat auch das bisher beste Ergebnis von uns erzielt! Er war einer derjenigen, die schon früh das Potential dieses Projekts gesehen und mich darin bestärkt haben. (Die Wirkung von solchem positiven Feedback ist wirklich kaum zu überschätzen!) Aus all diesen Gründen freue ich mich sehr, euch heute seine Erfahrungen und Ratschläge zur Examensvorbereitung präsentieren zu können. Viel Freude beim Lesen!
Hallo, Tom! Wie ist es gelaufen?
Super, sowohl im Staatsteil als auch in der Gesamtnote ist es ein ziemlich ordentliches Gut geworden: Insgesamt 12,62 Punkte.
Wie lange hast du dich insgesamt auf dein erstes Staatsexamen vorbereitet? In welchem Semester bist du ins Examen gegangen? Hast du den Freischuss gemacht?
Ich kann das zeitlich gar nicht richtig festhalten, das lief eher schleichend und unstrukturiert. Rep im sechsten Semester, Examen im Freischuss
nach dem Achten, wobei ich Strafrecht vorgezogen hatte (was sich für mich nicht gelohnt hat). Damit waren es 1,5 Jahre + ca. 2,5 Monate für die Mündliche. Richtig „hart“ waren davon aber wohl nur
die letzten drei Monate vor den Klausuren. Ich würde aber nicht die Zeit vor dem Rep bzw. vor der „Examensvorbereitung“ ausklammern, genauso wie auch die 1,5 Jahre sicher nicht dauerhaft
fokussierte Examensvorbereitung waren: Dort haben sich intensivere Phasen mit sehr abgelenkten Phasen abgewechselt. Die Examensvorbereitung war insofern die meiste Zeit nicht so wesentlich härter
als die Zeit davor, weil ich auch in den letzten Semestern davor schon überwiegend ähnlich gelernt habe (= Anki, Audio), ich erst zum Schluss hin Druck verspürt habe und das Rep auch immer (wohl
auch mangels Vor- und Nachbereitung) als ganz entspannt empfunden habe.
Wie hast du dich vorbereitet? Hast du ein Rep besucht? Mit welchen Mitteln hast du gelernt?
Ich war im Rep (ob es inhaltlich was gebracht hat: Keine Ahnung, da bin ich skeptisch. Es gibt aber Struktur und verhindert isoliertes Verrotten in der Examensvorbereitung). Ich habe vor allem auch Lecturio bzw. dem BMR-Rep (dessen Kurse wurden aufgenommen und ist einer der Lecturio-Kurse) sehr viel zu verdanken (schöne Grüße an die Herren Dr. Montag und Bohnen). Lernmittel waren:
– sehr viele (Anki- bzw. Basis-)Karteikarten
– Lecturio im Zivil- und Strafrecht
– nur sehr wenige Lehrbücher und ein paar kleinere Fallbücher, erwähnenswert sind das Lernbuch von Dr. Montag, das Prüfe-dein-Wissen von Lorenz sowie Wandt (GSV) und Jäger (Strafrecht)
– Vorlesungen in Podcastform von Lorenz, Eidenmüller und Herresthal
– Rep-Unterlagen (nicht: Rep-Skripten)
Alles bunt gemischt; generell überhaupt kein Lernplan, alles nach Gefühl.
Wann hast du die Basiskarten entdeckt und wie genau hast du damit gelernt?
Entdeckt wohl zu Beginn des 4. Semesters durch eine Facebook-Werbung. Ich hatte dann den im Nachhinein riesigen (!) Vorteil, dass du mich netterweise mit ein paar damals noch rein privaten Decks von dir versorgt hast. Dadurch hatte ich recht früh einen guten Überblick und zumindest in den Rechtsgebieten, in denen ich Basiskarten hatte, stets abrufbares Wissen und ein solides Verständnis (man merkte den Unterschied zwischen Rechtsgebieten mit und ohne Basiskarten). Dadurch geht dann auch alles, was danach kommt, viel leichter von der Hand und ist tatsächlich überwiegend „nur“ viel Vertiefung. Die Basis ist schon da (und zwar nicht i.S.v. hab ich irgendwann mal gelernt, sondern wirklich präsent), und alles neue fügt sich darin ein. Gelernt habe ich damit, indem ich wiederholt habe. Ganz oft nur nebenbei (auf der Couch, YouTube auf dem Fernseher am Laufen), aber eben überwiegend konstant, weil es nicht so aufwändig ist – die paar Karten gehen auch an schlechten Tagen, und so viel Disziplin hatte ich dann meistens doch noch. Ich habe bei neuen Decks dann oft auch das neue Deck einfach an einem Tag am Stück gelernt. Das ist zwar dämlich, weil man am nächsten Tag 500 fällige Karten aus einem einzigen Deck hat. Aber man kriegt in den paar Stunden verdammt schnell einen breiten Gesamtüberblick, der sich gut einprägt. Dann muss man halt ein paar Tage mit den Wiederholungen kämpfen. Empfehlenswert ist das wahrscheinlich nicht, ich mochte aber nie dieses zerstückelte Lernen, egal ob jeden Tag nur 20 Karten eines Decks oder ein Tag Zivilrecht / ein Tag Strafrecht / ein Tag Öffrecht. Lieber vier Tage Bereicherungsrecht am Stück, dann aber richtig und bis es durch ist und man es gerafft hat. Insgesamt waren Anki und die Basiskarten (neben Dr. Montag und Bohnen) ganz sicher der tragende Pfeiler meiner Examensvorbereitung. Ich merke den Unterschied zu Gebieten ohne Basiskarten bis heute.
Karteikartensysteme gibt es ja viele. Was unterscheidet deiner Ansicht nach die Basiskarten von anderen Karteikarten?
Generell zu Anki: Spaced-Repetition Systeme sind super (https://www.gwern.net/Spaced-repetition) und Anki verfügt über einen sehr intelligenten Algorithmus. Außerdem sind die Karten durch deine Jura-Vorlagen, je nachdem was zweckmäßig ist, passgenau erstellbar. Bei mir sind dadurch etwa manche Meinungsstreit- oder Lückentextkarten (leider?) immer noch eingebrannt, genau wie Merkwörter oder so seltsame Dinge wie gekreuzte AGB aus inzwischen einige Jahre alten Decks von dir.
Zu den Basiskarten: Sie sind in den meisten Fällen wertvoller als jedes Lehrbuch oder Skript. Man kann sich damit unheimlich schnell einen breiten Überblick über ein gesamtes Rechtsgebiet verschaffen, was der ersten systematischen Einordnung enorm hilft. Gleichzeitig wird man nicht direkt mit Tiefe oder einer unnötigen Aneinanderreihung von Problemen überrannt, sondern erlangt alleine durch die Karten schon ein echtes Grundverständnis. Man kann die Karten m.E. auch ohne Vorkenntnisse super verwenden, da sie das, worauf es ankommt, sehr gut, prägnant und verständlich erklären; sie sind didaktisch – obwohl es „nur“ Karteikarten sind – besser als fast jede andere Studienliteratur. Durch ihre Prägnanz sind sie schnell zu lernen und wiederholen und besonders einprägsam. Das motiviert auch etwas mehr zum Wiederholen: Es geht fix. Selbst wenn der Tag scheiße ist und man keinen Bock hat zu lernen, zumindest die paar fälligen, kurzen Basiskarten kann man sich neben Netflix oder YouTube immer noch irgendwie geben. Das bewirkt eine wichtige Routine, und ein bisschen ist eben besser als nichts. Dagegen sind meine eigenen Karten zum Teil ein schlechter Witz, weil sie vor allem viel zu überladen und unsystematisch sind. Zwar wird man mit der Zeit besser im Erstellen eigener Karten. So gut wie die Basiskarten sind sie leider trotzdem nie geworden; außerdem ist das Erstellen guter, durchdachter und prägnanter Karteikarten oder gar eines ganzen strukturierten Decks ein Riesenaufwand. Ich habe irgendwann in bestimmten Bereichen nur noch aus Lehrbuch-PDFs rauskopiert oder aus Büchern abgetippt, und es macht keinen Spaß sowas dann dutzende Male zu wiederholen. Da ich aber keinen Lernplan hatte und nicht besonders organisiert bin, habe ich Anki bei so langen Lehrbuchausführungen oder Fallausführungen dann eher als eine Art Wiedervorlage missbraucht, also mir solche Karten nur jedes xte Mal nach einigen Wochen genauer angeschaut. Mein schlechtestes Rechtsgebiet (Öffrecht) ist übrigens das, wo ich am wenigsten Basiskarten-Decks hatte. Danke dafür! :p
Wie viele Anki-Karteikarten hast du heute insgesamt in deiner Sammlung?
In meinem übergeordneten Stapel „Examen“ sind laut Anki 23044 Karten. Das ist natürlich völlig absurd und nicht zu empfehlen, ich habe es da ein wenig übertrieben und hatte auch nicht stets (eher niemals) sämtliche Karten in der Wiederholungsrotation. Es gab dann bei der Wiederholungspriorität immer wichtigere und unwichtigere Decks (die Basiskarten gehörten zu den wichtigeren). Man sollte Karten wahrscheinlich mit viel mehr Bedacht hinzufügen, man wird sie schließlich dutzende Male sehen. Ein Gefühl der Vollständigkeit wird man vor dem Examen eh nie haben. Die Strukturlosigkeit, das große Durcheinander und sich wiederholende Karten nerven irgendwann sehr, das aufzuräumen ist aber auch zu aufwändig. Weniger ist hier mehr.
Wie sah ein typischer Tag in der Examensvorbereitung für dich aus?
Einen „typischen“ Tag gab es in der ganzen Zeit eigentlich gar nicht, dafür ging der ganze Spaß zu lange. Aber ein paar typische Dinge, neben dem Rep: Oft nicht unbedingt früh aufgestanden (kein
Wecker, außer morgens Rep, was aber auch öfter mal dem Schlaf weichen musste), aber dafür durchaus auch mal recht spät abends noch gelernt, generell keine festen Zeiten, keine Stunden gezählt
(mal gar nichts oder nur sehr wenige Stunden, mal 12 brutto Stunden), keine Pomodoros (Zigaretten waren meine Pomodoros). Das letzte Jahr vorm Examen habe ich ganz überwiegend auf dem Sofa mit
Laptop gelernt (Anki und PDFs sei Dank), dabei lief praktisch immer der Fernseher als second screen mit seichter YouTube-Unterhaltung (viel Rocketbeans) oder ein (Unterhaltungs-)Podcast im
Hintergrund – Lernpsychologen stellen sich dabei wahrscheinlich die Haare auf, mache ich aber bis heute und hat sich auch im Schwerpunkt nicht gerächt. Das ist ganz sicher alles andere als
optimal, aber ohne diese Unterhaltung nebenbei hätte ich keinen Bock gehabt so viel zu lernen. Proportional zu den Tagen bis zum Examenstermin sinkt übrigens auch die Bewegung.
Wie viele Übungsklausuren hast du geschrieben?
Das dürften vielleicht so 15 gewesen sein, davon über die Hälfte aus zwei (unvollständigen, weil klausurenfaul) Probeexamina. Meine erste Anfechtungsklage und erste Verfassungsbeschwerde in einer
Klausursituation waren dann im echten Examen. Ich hielt den Mehrwert des Klausurenschreibens für begrenzt, es jedenfalls nicht für effizient (in den 5 Stunden + x kann man einiges durcharbeiten).
Das wird aber individuell unterschiedlich sein, zumindest, wer Probleme mit seinem Klausurstil hat, sollte vielleicht mehr Klausuren schreiben (als bewusstes Training, nicht zum Selbstzweck) und
sich näher mit Stil und Methodik auseinandersetzen; wer eh Klausuren an sich schreiben kann, für den ist schlichtes Lernen statt Klausurenschreiben wahrscheinlich eine bessere Investition der
eigenen Zeit.
Gibt es sonst noch Tipps, von denen du besonders profitiert hast und die du weitergeben möchtest?
Alles unter dem Vorbehalt, dass Korrelation nicht gleich Kausalität ist und der Faktor Glück bzw. Varianz eine wesentliche Rolle für das Examensergebnis spielt:
– Mehr als nur ein Werk, eine Quelle, einen Autor, einen Verlag benutzen, auch im selben Teilrechtsgebiet. Verschiedene juristische Stile schulen das Denken. Widersprüche oder Unklarheiten zwischen verschiedenen Quellen auszuräumen ist zwar anstrengend, aber ein sehr gutes Training. Besondere Vertiefung von „Problemen“ auch nicht als Lernen von Problem ansehen (im Zweifel kommt im Examen eh was Unbekanntes), sondern als juristisches „Denktraining“ und Weg zum Verstehen.
– M.W.n. gibt es keine „Lerntypen“, aber viel zu hören, und zwar meistens draußen – ganz klischeehaft „in der Natur“ – hat krass viel gebracht. Liegt vielleicht am Fehlen von Ablenkungen und dadurch dem Zwang, ausnahmsweise wirklich einfach mal nur zuzuhören. Sicherlich aber auch an den didaktisch hervorragenden Dozenten (eben u.a. Prof. Lorenz und Prof. Eidenmüller sowie insb. Dr. Montag und Bohnen von Lecturio/BMR).
– Lieber Basiskarten statt Lehrbücher oder Rep-Skripten, die man dann doch eh nicht richtig liest, kaufen. Über die Monate und Jahre brennen sich die Karten und Merkwörter einfach ein, und der Kampf gegen das Vergessen ist für das Examen sehr wichtig.
– Sich den ganzen Kram (im Kopf) Schritt für Schritt selbst erklären. Wenn man ehrlich zu sich ist, merkt man dann nämlich, wo die logischen Brücken noch fehlen.
Was steht bei dir als Nächstes an? Und wird Anki da auch eine Rolle spielen?
Ich bin inzwischen auch mit dem Schwerpunkt durch; derzeit arbeite ich in einer größeren Kanzlei, korrigiere im Examensklausurenkurs und stehe ganz am Anfang eines Promotionsvorhabens. Im Ref wird Anki sicher wieder eine ganz tragende Rolle spielen (ich hoffe, bis dahin hast du auch Karten zum 2. Staatsexamen rausgebracht). Bevor dieses irgendwann losgeht, werde ich wahrscheinlich auch mein Archiv nochmal durchgehen, um wieder fit zu werden, und es in komprimierter Form während des Refs benutzen. Im Schwerpunkt habe ich teilweise auch Anki benutzt, aber viel weniger: Hier ist Bulimie-Lernen brauchbarer als im Examen. Tatsächlich war meine beste Schwerpunktklausur aber wieder die, für die ich am meisten mit Anki gelernt und viel in Audioform gehört habe.
Tom, vielen Dank für das Interview!
👉 Tipp: Hier geht's weiter zu meinem letzten Interview mit Nick. Allgemeines Feedback zu den Basiskarten findest du hier.
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Leon Henker (Montag, 03 Februar 2020 12:40)
Top top top! Vielen Dank. Ich kann die Empfehlung nur wiederholen: Nutzt die didaktisch und inhaltlich überragenden Podcasts von Stephen Lorenz. In Kombination mit den Basiskarten + einiger PdW-Fälle (ebenfalls von Lorenz mit Köhler) ist es mMn unmöglich, respektive nur mit unvergleichbar hohem Zeitaufwand, andernorts ein ähnlich gutes systematisches, und das ist die Crux, in gute Klausurennoten ummünzbares Wissen zu bekommen.
Sven (Mittwoch, 01 Juli 2020 14:00)
Lohnt sich der "Aufpreis" für das BMR Rep-/ Lecturio im Vergleich zu den kostenlosen Podcasts von Lorenz/Eidenmüller und Co, also im Hinblick auf das Zivilrecht? Zumindest in Strafrecht merke ich einen erheblichen Unterschied von BMR Rep-/Lecturio (Bohnen) zu den frei zugänglichen Strafrechts-Podcast der LMU und kann dementsprechend Tom nur für diesen klasse Tipp danken !
Tim (Montag, 05 September 2022 11:27)
Ich habe mir den Kurs von Lecturio mal angeguckt und der ist im Zivilrecht ja komplett durcheinander. Erst kommen verschiedene Vertragstypen ganz kurz dran und dann aufeinmal Unmöglichkeit, Deliksrecht, Bereicherungsrecht. Und danach erst die Willenserklärung. Das ist merkwürdig.